Die rund 30 Mitglieder des Kammerchores wurden nach einem angenehmen Flug von Hamburg nach Tallinn am Flughafen der estnischen Hauptstadt vom dortigen Bezirksvorsteher Tarve und seinem Vertreter Piik empfangen. Das erste Nachtquartier nahmen die Chormitglieder in der neuapostolischen Kirche in Keila, einem kleinen Vorort Tallinns, ein. Hier wurden sie von einigen Gemeindemitgliedern mit einem vorbereiteten Imbiss herzlich begrüßt.
Der zweite Tag der Reise begann mit einer Stadtbesichtigung Tallinns. Estland, als das vielleicht innovativste Land der baltischen Staaten, hat in den vergangenen Jahren viel in die Restauration historischer Gebäude vor allem in seiner Hauptstadt investiert. Die alte Hansestadt beeindruckte daher die Norddeutschen sehr. Auch der Besuch des gigantischen Sängerfestplatzes, auf welchem alle 4 Jahre das größte Sängerfest des Baltikums mit mehreren hunderdtausend Zuschauern und zigtausend Mitwirkenden stattfindet, wurde zu einem nachhaltigen Erlebnis.
Im Anschluss an die Stadtführung machte sich der Kammerchor auf den Weg in die rund 2 ½ Stunden südlich gelegene Stadt Pärnu, wo am Abend das erste Konzert in der Aula einer Schule stattfand. In dem ansprechenden Konzertsaal der Schule hatten sich zu diesem Konzert nur wenige Besucher eingefunden, dennoch wurde das Konzert zu einem musikalisch gelungenen Auftakt.
Der Chor präsentierte so einer kleinen, aber sehr interessierten Zuhörerschaft zum ersten Mal auf dieser Reise das Programm mit geistlicher Chormusik deutscher, norwegischer, französischer und estnischer Komponisten. Zu hören waren neben der ‚Deutschen Messe’ D 872 von Franz Schubert vier- bis achtstimmige und doppelchörige Motetten von Heinrich Schütz, Felix Mendelssohn Bartholdy, Edvard Grieg, Maurice Duruflé u.a.
Als Übernachtungsquartier diente an diesem Abend eine Sportlerunterkunft. Da am Ende der Woche nochmals Konzerte in der Stadt Pärnu durchgeführt werden sollten, wurden diese Räumlichkeiten noch für zwei weitere Nächte von den Wilhelmshavenern eingenommen.
Auf der Reise durch das Land wurde der Kammerchor durch den Esten Sven Heinsalu begleitet. Er übernahm die Aufgaben des Dolmetschers und war unentwegt als Organisationshelfer tätig. Auch seine Mutter Ilse Heinsalu stand dem Chor tatkräftig und unermüdlich zur Seite. So bereitete sie beispielsweise am Mittwoch Morgen dem gesamten Chor ein gutes Frühstück, so dass sich alle gestärkt auf den Weg in die rund 200 km östlich gelegene Universitätsstadt Tartu machen konnten.
Am Abend fand das zweite Konzert in der dortigen großen neuapostolischen Kirche statt, zu dem knapp einhundert Zuhörer gekommen waren, um den Chor aus Deutschland zu hören.
Am Ende des Konzertes bedankte sich der Chor der Gemeinde Tartu aktiv bei den deutschen Gästen, indem er zwei Lieder vortrug, was die ohnehin sehr herzliche Atmosphäre noch verstärkte.
Die vielen Nebenräume der Kirche in Tartu ließen es zu, dass die Nacht dort verbracht werden konnte. Auf Luftmatratzen und Isomatten, mit Schlafsack und Kopfkissen ausgestattet, wurden so die unterschiedlichsten Räumlichkeiten zu Schlafsälen umfunktioniert.
Am Donnerstag war der Terminplan besonders eng. Bereits um 14.00 Uhr sollte ein Konzert in einer Schule der kleinen Stadt Killinge Nömme im Süden des Landes stattfinden. Dazu stand zunächst wieder eine längere Busfahrt bevor. In Killinge Nömme angekommen, wirkte die karge Schulaula nicht sehr einladend. Ein paar einfache Turnbänke waren als Sitzgelegenheiten aufgestellt, die in dem großen Saal etwas verloren erschienen. Nachdem ein Klingenzeichen die laufende Unterrichtstunde beendet hatte strömten plötzlich von allen Seiten Schüler in die Aula, so viele, dass die wenigen Bänke längst nicht ausreichten und der größte Teil der Schüler auf dem Fußboden Platz nehmen musste. Ein etwas verkürztes Konzertprogramm erlaubte den zum Teil schon etwas ermüdeten Schülern einen Einblick in das Repertoire des Chores. Der größte Teil der Jugendlichen verfolgte das Konzert gespannt, wobei die in estnischer Sprache gesungenen Kompositionen den meisten Anklang fanden. Als zum Abschluss ein Gospel als Zugabe gesungen wurde, traf der Kammerchor auch noch eine weitere Facette des ‚jugendlichen Geschmacks’ und wurde mit herzlichem Applaus, kleinen Geschenken und Glückwünschen der Schulleitung verabschiedet.
Im Anschluss an dieses Konzert fuhr der Kammerchor in die neuapostolische Kirche nach Moisakalü, eine der beiden Gemeinden, die im vergangenen Jahr in Deutschland waren. Hier wurde der Chor wie überhaupt an allen Stationen der Reise mit großer Gastfreundschaft und Herzlichkeit empfangen.
Zur Begrüßung wurden stellvertretend einige Chormitglieder gebeten, direkt vor der Kirche einen Baum als bleibendes Symbol der Verbundenheit zu pflanzen. Im Kirchenschiff war ein reichhaltiges Essen vorbereitet.
Nachdem sich alle gestärkt hatten, musste man schon wieder aufbrechen, da um 19.00 Uhr im nahegelegenen Dom des Ortes Haliste ein weiteres Konzert gegeben werden sollte. Dieses Konzert wurde schließlich zum musikalischen Höhepunkt der Reise. Dazu trug die Atmosphäre des würdigen Gotteshauses ebenso bei, wie die große Anzahl von Zuhörern, die zum Teil sogar mit Bussen angereist waren.
Nach dem Konzert erlebten die deutschen und estnischen Glaubensgeschwister in der Gemeinde Moisaküla noch einen Gottesdienst. Für die Esten etwas Besonderes, da in Estland normalerweise nur sonntags Gottesdienste stattfinden. Nach dem musikalischen Höhepunkt im Konzert folgte im Gottesdienst der ‚seelische’ Höhepunkt. Erst recht spät am Abend verabschiedeten sich die deutschen Gäste von ihren estnischen Gastgebern, um den 1½stündigen Weg zurück nach Pärnu anzutreten.
Erschöpft, aber glücklich wurde die Kirche in Pärnu erreicht, wo Ilse Heinsalu bereits seit mehreren Stunden auf den Kammerchor gewartet hatte. Sie hatte wiederum einen Imbiss vorbereitet, so dass der Chor vor dem Aufsuchen der Sportlerunterkunft und dem ersehnten Schlaf noch einmal mit Essen und Trinken versorgt wurde.
Am Freitag standen noch zwei offizielle Termine auf dem Programm. Mittags um 12.00 Uhr wurde ein ‚Strassenkonzert’ auf einem Platz in der Innenstadt von Pärnu gegeben und am Abend hatte der Chor noch einmal die Aufgabe ein Konzert in der Aula einer Schule zu singen. Die restliche Zeit stand den Chormitgliedern zur freien Verfügung, um auf dem Markt oder in den Geschäften Andenken und Mitbringsel zu kaufen.
Schließlich wurde am Samstag die Heimreise wieder angetreten. Früh am Morgen brachte der Bus den Kammerchor zurück in die inzwischen verschneite Hauptstadt Tallinn, von wo das Flugzeug nach Hamburg startete.
Eine knappe Woche voller erlebnisreicher Tage, vieler Eindrücke und Erfahrungen ging zu Ende. Dankbar, für alles Erlebte und verbunden mit den Esten, die manche Opfer für das Gelingen der Reise gebracht haben, bleibt die Erinnerung an ein wunderschönes Land und die Mentalität eines Volkes, dass Gastfreundschaft und Herzlichkeit trotz großer wirtschaftlicher Probleme vorbildlich verkörpert.