Oratorium Elias
Die Uraufführung des Oratoriums "Elias" im Jahr 1846 wurde für Felix Mendelssohn-Bartholdy zu einem Triumph. Der Komponist stellte den streitbaren alttestamentarischen Propheten ins Zentrum seines Werkes, weil er der Auffassung war, dass ein solch "starker, eifriger, aber auch zorniger Charakter" in seiner Zeit gebraucht würde. Die ungebrochene Aktualität dieser Komposition zeigte sich Pfingsten in zwei Konzerten des Wilhelmshavener Kammerchores.
Während der gesamten Aufführung spürte man den Widerstreit der Mächte und die Symbolik, die hinter dem Text steht. Der "Elias" hat, der kämpferischen Natur des Propheten entsprechend, vorwiegend dramatischen Charakter, welcher locker wie flüssig zum Ausdruck kam und den dicht besetzten Kirchenraum in eine festliche Stimmung versetzte. Insgesamt kamen an beiden Pfingsttagen ca. 700 Zuhörer, wobei das Konzert am Pfingstsonntag restlos ausverkauft war.
Mit präziser stimmlicher Ausgeglichenheit schuf der Kammerchor ein äußerst transparentes Klangbild. Ungemein ansprechend die flehentlichen Bitten des aufgebrachten Volkes Israel, der vergebliche Wettkampf der Baal-Priester mit dem Propheten Elias und dann auf einmal, im Choral - strahlende Innigkeit. Unter Gerrit Junges inspirierender und souveräner Leitung wechselten die hervorragenden Choristen problemlos zwischen Verzweiflung, Trotz, Hetze, Beschwichtigung und Jubel. Die einzelnen Stimmgattungen prägten in ausgewogener Balance einen homogenen Gesamtklang, der sich stets in den Dienst des zugrunde liegenden Textes und dessen Aussage stellte.
Das in unterschiedlichen Klangfarben akzentuierend begleitende Universitätsorchester Transilvania (Rumänien) brachte sich bildhaft mit großem Engagement ins musikalische Geschehen. Zum Beispiel gelingt die musikalische Dramatisierung in Nr.34 (Der Herr ging vorüber) durch sich wiederholende Steigerungselemente wie Sturmwind, Erdbeben, Meeresbrausen, Feuer, im stillen Sausen: der Herr war im Säuseln!
Eine tragende Rolle oblag den Gesangssolisten, allen voran Nils Ole Peters (Bass). Er machte mit seiner modulationsfähigen Stimme, untermauert vom Orchester, die Figur des Propheten zu einer facettenreichen Gestalt zwischen inniger Frömmigkeit und herrischem Befehlston. Ebenfalls auf hohem Niveau agierten Ina Jannsen (Sopran), Juliette Schindewolf (Alt), und Dr. Tobias Wall (Tenor). In Ihren Rollen als die "Engel“, im Terzett, als einzelne Verkünder oder agierende Personen (Königin Isbel - König Ahab - Obadjah) - der lange Atem ihrer Gestaltungskunst ließ das Publikum die Luft anhalten.
Ina Jannsens heller, gradliniger Sopran - wunderschön das erste Duett mit Juliette Schindewolf - verbindet nach der Pause eindringlich Bekenntnis und sehnsüchtigen Appell. Dann entfalten der Wilhelmshavener Kammerchor, das eindringlich musizierende Hochschulorchester und Nils Ole Peters den Perspektivenreichtum dieses erstaunlichen Oratoriums.
Und in den Engels-Visionen, in der Schilderung von Gottes leiser Offenbarung, treffen der Kammerchor und die Solisten genau den Tonfall gläubiger Ergebung. Durch diese spannungsreiche Darbietung, konnte der erbauliche Charakter nicht nur dem ausführlichen Programmheft entnommen, sondern unmittelbar spürbar werden.
Das Auskosten bildhafter Klänge, zog durch den (dramaturgisch etwas schwächeren) zweiten Teil einen roten Faden. Über dem strahlte in Liedern wie: „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ oder „Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig“ eine Glaubensüberzeugung, so dass verbunden mit der Verheißung des Messias „Aber einer erwacht von Mitternacht“, sogar eine Steigerung am Schluss möglich wurde - für Aufführungen dieses Werkes etwas Seltenes.
Die nach dem Schlussakkord folgenden Ovationen für zweieinhalb glanzvolle Stunden der Oratorien-Interpretation zeugten von der Faszination, die unter musikalisch und geistig durchdrungener Leitung bis in den springlebendigen Schlusschor hinein, der konzentrierte und klanglich präsente Chor, samt den wie füreinander geschaffenen Solistenensembles und eines hochsensiblen Orchesters auf die Zuhörer auszuüben vermochte.
Musikalische Jubiläen wollen angemessen gefeiert sein und dies in aller Regel auch noch mit dem Anlass entsprechender Literatur. Felix Mendelssohn-Bartholdys Oratorium »Elias« war denn ein wahrhaft würdiges Werk für das Jubiläumskonzert des Kammerchores Wilhelmshaven, welcher sich seit seiner Gründung vor genau 10 Jahren eine ausgeprägte Stimm- und Klangkultur erarbeitet hat.
(GS)
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